Was ist der Yiddish Summer Weimar?
Der Yiddish Summer Weimar begann 1999 als Wochenendworkshop. Mittlerweile dauert das Festival einen ganzen Monat und hat sich zu einem der weltweit wichtigsten Sommerprogramme entwickelt, die traditionelle und zeitgenössische jiddische Kultur lehren, weiterentwickeln und einem Publikum präsentieren.
Die künstlerische Leitung liegt bei Alan Bern, der im YSW seine Vorstellung einer kreativen, transkulturellen, Generationen umspannenden Gemeinschaft umsetzt, die Platz für Menschen unterschiedlichster Backgrounds bietet.
Das Herz des Yiddish Summer bilden die einwöchigen Workshops, die von internationalen Künstler*innen und Wissenschaftler*innen unterrichtet werden. Die Themen der Workshops sind am Puls der Zeit, es wird gelernt und diskutiert; Individualität und gemeinsames Erleben erfahren gleichermaßen ihre Berechtigung - und natürlich kommt auch die eigene Kreativität nicht zu kurz.
Die Festivalwoche lockt mit abendlichen Konzerten, die von Künstler*innen bestritten werden, die sich sowohl in der jiddischen Musikwelt als auch in anderen osteuropäischen Stilistiken einen Namen gemacht haben. Tagsüber laden Mitmachprogramme ein: Schnupperkurse zur jiddischen Sprache, Musik, zum Tanz und zum Kochen, eine Filmserie und viele andere Veranstaltungen – für jedes Alter und für jeden Kenntnisstand ist etwas dabei.
Viele der derzeit erfolgreichsten und innovativsten Musiker*innen der jiddischen Musikwelt sind im YSW verwurzelt, dazu gehören u.a. The Other Europeans, Brave Old World, Daniel Kahn, Alpen Klezmer, Voices of Ashkenaz, forshpil, Trio Figelin, Kol Ishe.
Wir laden Euch herzlich dazu ein, durch unsere Webpage zu stöbern, unsere Geschichte und Philosophie näher zu studieren, die Links anzuklicken und hoffen sehr, Euch dieses Jahr zum Yiddish Summer in Weimar begrüßen zu dürfen!
Geschichte des YSW
Das Festival, das heute unter dem Namen Yiddish Summer Weimar bekannt ist, hatte seinen Ursprung in einer Einladung Georg Mackrodts (✝2009) an Alan Bern und Brave Old World, einen Workshop für jiddische Musik im Rahmen der Europäischen Sommerakademie 1999 in Weimar zu leiten.
Der Erfolg dieses Workshops veranlasste Dr. Julia Draganovic, Direktorin des Kulturbüros LaRete, mit Alan Bern als künstlerischem Leiter ein Festival zu entwickeln, die "Klezmer Wochen Weimar". Dr. Draganovic leitete das Festival bis 2002, bis ihre Rolle von Stephanie Erben übernommen wurde, die unter der Trägerschaft des Kuratoriums Schloß Ettersburg e.V. mitwirkte. 2006 wurde der gemeinnützige Verein Other Music Academy e.V. gegründet, mit Alan Bern als Vorsitzendem, Stephanie Erben als stellvertretender Vorsitzenden und Katrin Petlusch als Schatzmeisterin. Die Klezmer Wochen Weimar entwickelten sich schnell zu einem der international anerkanntesten Festivals für jiddische Musik und Kultur. Angesichts seines erweiterten Tätigkeitsfeldes und der neuen Unabhängigkeit als Projekt von Other Music Academy e.V. wurde das Festival in "Yiddish Summer Weimar" umbenannt.
Viele Faktoren ermöglichten die rasante Entwicklung des Festivals über diese Jahre: der leidenschaftliche Einsatz von Teilnehmenden und Dozent*innen, die enthusiastischen Reaktionen des Weimarer Publikums, die treue Unterstützung durch die Stadt und andere Projektpartner, die unermüdliche Hilfe von Freiwilligen, die finanzielle und moralische Unterstützung von regionalen, nationalen, europäischen und internationalen Stiftungen, öffentlichen Einrichtungen und privaten Sponsoren, die sehr positive Beachtung durch die Presse und anderer Medien und die pausenlose Arbeit des Organisationsteams. All dies und mehr trug zum Erfolg des Yiddish Summer Weimar bei.
In Anerkennung seiner Leistungen in der Leitung des YSW wurde Alan Bern 2022 mit dem Bundesverdienstorden, 2017 mit dem Thüringer Verdienstorden und 2016 mit dem Weimar-Preis ausgezeichnet.
In den letzten Jahren hat sich das YSW verstärkt darauf konzentriert, neue jiddische Kulturprojekte mit jungen Menschen und renommierten Künstlern zu schaffen. Zu den internationalen Jugendprojekten gehören der Kadya-Chor (2017-18) und das mit dem Shimon-Peres-Preis 2018 ausgezeichnete Caravan Orchestra and Choir (2017 - heute). Renommierte Künstler wie Joshua Waletzky, Daniel Kahn, Joshua Dolgin, Polina Shepherd, Sveta Kundish, Sasha Lurje und viele andere haben im Rahmen des YSW neue Werke geschaffen. Im Jahr 2019 arbeiten Alan Bern, Yuriy Vedenyapin und Miriam Camerini zusammen an “Di megile fun Vaymar”, einem neuen Musiktheaterstück, das auf Purimspiel und Werken von Itzik Manger und Goethe basiert. Im Jahr 2022 schufen Alan Bern und Diana Matut gemeinsam “Glikl-oratorye”, ein Oratorium, das auf den Tagebüchern von Glikl von Hameln basiert.
Im Jahr 2020 gründete der YSW OMAworks, eine hauseigene Agentur, deren Aufgabe es ist, diese und andere kreative Produktionen des YSW einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.
Der YSW hat einen vierfachen Auftrag: die Erforschung, Lehre, Neu-Schaffung und Präsentation traditioneller und neuer jiddischer Kultur in einem interkulturellen Kontext.
(Weitere Einzelheiten zur Geschichte der YSW, einschließlich Fotos, Plakate und mehr, findest Du im Archiv)
Unsere Philosophie
„Ich schätze die ganzheitliche Arbeit sehr, die den Körper und den Geist zusammenbringt“.
„Selbstwahrnehmung und persönlicher Ausdruck werden gelehrt und sind ausdrücklich gefragt“.
„Ich glaube, dass der Eindruck zu groß ist, um ihn in Worte zu fassen". (Stimmen von Teilnehmenden)
Warum Yiddish Summer Weimar anders ist:
1. Eine Lerngemeinschaft, kein Einkaufszentrum
Vieles trägt zum besonderen Charakter des Yiddish Summer Weimar bei. Wir beginnen mit überragenden Lehrenden und Künstler*innen. Dazu wird jedes Jahr ein besonderes Thema gewählt, das alle Workshops, Konzerte, Tanzabende, Jamsessions, Symposien und andere Veranstaltungen verbindet. Wir interpretieren Traditionen als Ausdruck interkultureller Prozesse, nicht als erstarrte Objekte, und so legen auch unsere Arbeitsmethoden eher den Wert auf Prozesse und Fragen als auf Antworten.
Kulturen zeigen viele Formen des Ausdrucks, wie Instrumentalmusik, Vokalmusik, Tanz und vieles mehr. Statt dem Konzept „Einkaufszentrum” zu folgen, bei dem eine große Anzahl von Teilnehmenden aus parallel laufenden Kursen auswählt und einander womöglich nie begegnet, schaffen wir bewusst Zeit und Raum für ein Thema passend zur Zeit, in kleineren Workshops, die bis zu einer Woche dauern. Die begrenzte Anzahl von Dozierenden und Teilnehmenden und ein einziger Schwerpunkt erlauben es uns, eine Lerngemeinschaft zu bilden. Dies alles trägt zu der legendären Intensität der Weimarer Workshoperfahrung bei.
Genauso wichtig ist ein Ansatz, der viele Arten des Lernens integriert – intuitiv, kinetisch, emotional, intellektuell, praktisch und theoretisch. Beinahe alle Teilnehmenden entdecken, dass sie in einigen dieser Bereiche stark sind und in anderen weniger entwickelt. Die Workshops fordern sie heraus, auf Arten zu wachsen, die weit über die Themen des Festivals hinausgehen. Viele Teilnehmende erfahren Veränderungen, die noch lange nach ihrer Heimkehr andauern.
Unsere Teilnehmenden und Dozierenden kommen oft aus mehr als 20 Ländern und sprechen viele Sprachen. So ist die Kommunikation selbst eine Herausforderung und bildet sich auf vielen verbalen und nonverbalen Ebenen. Harte Arbeit und das Verdauen neuer Information während des Tages werden durch sehr freie abendliche Jamsessions und Tänze in den Weimarer Cafés ausgeglichen, wodurch soziale Beziehungen und Netzwerke wachsen und das Festival in das wirkliche Leben der Menschen hineingetragen wird. Zum Schluss: die Konzerte und andere öffentliche Veranstaltungen sind keine Leistungsprüfungen, sondern Gelegenheiten, die intensive Arbeit einer Woche auf eine höhere Entwicklungsstufe zu bringen und mit einem größeren Publikum zu teilen.
Ja, Yiddish Summer Weimar ist ein Musik- und Kulturfestival – aber darüber hinaus eine Chance, Grenzen zu hinterfragen, Verbindungen aufzubauen und durch die Begegnung mit anderen zu wachsen.
Warum Yiddish Summer Weimar anders ist:
2. Erst das Gelände, dann die Landkarte
Alfred Korzybski (1879-1950), der Begründer der Allgemeinen Semantik, bemerkte: „Die Landkarte ist nicht das Gelände.” Das bedeutet: verwechsle die Darstellung der Dinge nicht mit den Dingen selbst. Im Falle der Musik ist die Darstellung das Notenblatt, und das dargestellte Ding ist Klang – Musik. Trotzdem lernen die meisten von uns im Westen Musik, indem wir erst lernen, Noten zu lesen. Dadurch entfernen wir uns weit von der Landschaft der Musik selbst. Unser Ansatz für den Yiddish Summer Weimar und die Winter Edition ist immer, mit Musik als Klang zu beginnen – lernen "nach Gehör" genannt. Wie merkwürdig, dass es dafür einen besonderen Begriff gibt! Wir lernen schließlich nicht, "nach Sicht" zu malen, oder "nach Bewegung" zu tanzen.
Wenn man Musik "nach Gehör" lernt, lernt man nicht nur eine Melodie oder Harmonie oder ein Stück, sondern eine Art der Wahrnehmung, die dem musikalischen Gegenstand selbst perfekt angepasst ist. Aus diesem Grund nehmen wir uns viel Zeit, Musik direkt von Menschen zu lernen, so wie Musik traditionell von Mensch zu Mensch und Generation zu Generation übermittelt wurde. Traditionelle (oder "Folk"-) Musik ist perfekt für diese Arbeitsweise geeignet – wäre sie es nicht, wären wir nicht imstande, sie schnell zu lernen und zu behalten. "Folk"musik nach Gehör zu lernen ist demnach ein Weg, direkt das Gelände der Musik zu erkunden, und nicht die Landkarte. Ein anderer Weg ist Improvisation. Wenn man improvisiert, achtet man auf seine eigenen musikalischen Impulse und folgt ihnen. Es gibt keinen Zwischenschritt, der Klangimpulse in ein System visueller Darstellung (Noten) überträgt und dann in Klang zurückübersetzt. Um ganz deutlich zu sein: Noten sind sinnvoll, so wie Landkarten es sind, und auch wir arbeiten mit Noten im Yiddish Summer Weimar. Aber erst, nachdem wir Musik als Klang verstehen. Erst das Gelände, dann die Landkarte.
Dr. Alan Bern
Übersetzung: Christian Dawid
Anerkennungen & Auszeichnungen
2022: Verleihung des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland an Dr. Alan Bern.
https://ysw2022.yiddishsummer.eu/files/pm_verleihung_bundesverdienstkreuz.pdf
2019: Kulturstiftung des Bundes, Allgemeine Projektförderung
Förderung des Yiddish Summer Weimar 2019 in Höhe von 219.000€.
>> https://www.kulturstiftung-des-bundes.de/de/projekte/musik_und_klang/detail/the_weimar_republic_of_yiddishland.html
2018: Verleihung des Shimon-Peres-Preis des Deutsch-Israelischen Zukunftsforum durch Bundesaußenminister Heiko Maas an das Projekt "Caravan Orchestra"
>> https://www.dizf.de/deutsch/shimon-peres-preis/preisverleihung/index.html
2017: Verleihung des Verdienstordens des Freistaats Thüringen an Alan Bern
2016: Verleihung des Weimar Preises an Alan Bern
2016: Kulturstiftung des Bundes, Allgemeine Projektförderung
Förderung des Yiddish Summer Weimar 2016 in Höhe von 210.000€.
>> http://www.kulturstiftung-des-bundes.de/cms/de/projekte/musik_und_klang/bobe_mayses.html
2013-2015: Other Music Academy gefördert durch die Fonds „Neue Länder” der Kulturstiftung des Bundes
>> http://www.kulturstiftung-des-bundes.de/cms/de/mediathek/audio_und_video/interview_alan_bern_other_music_academy.html
2006-16: Atran Foundation
Projektunterstützung für Yiddish Summer Weimar und Winter Edition.
2014: Tanz- und Folkfestival Rudolstadt und MDR Figaro
Weltmusikpreis Ruth für das Projekt Alpen Klezmer (Andrea Pancur und Ilya Shneyveys).
2010: Europäische Union
Für "The Other Europeans," eines von 20 "best practices"-Projekten in Europa "in favour of the Roma community"
>> http://www.roma-conference.eu/web/roma/projects
2009/10: Compass
Für den Yiddish Summer Weimar, eine der 36 "most innovative, creative, effective and sustainable initiatives in support of Jewish life in Europe"
>>http://www.compasseurope.org/
2009: Ehrenruth
Preis für die Lebensleistung an Alan Bern & Brave Old World
>> http://www.weltmusikpreis.de/2009/ehren_1.html
2008: Deutscher Musikrat
1. Preis an other music e. V. in der Kategorie „Interkulturelles Musizieren”.
2005-11: Montreal Jewish Community/KlezKanada Foundation
Projektunterstützung für Yiddish Summer Weimar und Winter Edition.
2005-08: Forward Association
Projektunterstützung für Yiddish Summer Weimar und Winter Edition.
2000: Europäische Kommission, Programm Kultur
Projektunterstützung für „The Other Europeans”, in Kooperation mit KlezMore (Wien) & dem Jewish Cultural Festival in Krakau
>> http://www.theothereuropeans.eu/
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